„Die Lücke 2.0“ – Augenöffnendes Schauspiel gegen Rassismus

Ein Fahrrad wird vor dem Friseurladen Kuaför Özcan abgestellt. Auf dem Gepäckträger: eine Nagelbombe, in einem Hartschalenkoffer getarnt. 15:56: Zwei südländisch aussehende junge Männer gehen vorbei. Die Bombe wird durch Funkfernsteuerung gezündet, explodiert; 22 Menschen werden verletzt, Ladenlokale zerstört. Eine zurückbleibende Stille verstört die Menschen, die Straßen sind leer.

Die Auswirkungen dieses rechtsterroristischen Anschlags am 9. Juni 2004 in der Keupstraße im Kölner Viertel Mühlheim thematisiert das Theaterstück „Die Lücke 2.0“ unter der Regie von Nuran David Calis, aufgeführt im Schauspielhaus Köln, eine Straße entfernt von der Keupstraße.

Zusammen mit Frau Janz, Frau Wied und Frau Plitzko besuchten wir, einige Schüler:innen des Deutsch LKs der Q1 und weitere SuS der Q2 am 4. Dezember 2021 diese Aufführung.

Bevor die Aufführung begann, folgten wir einer Führung über die Keupstraße, dem Zentrum des türkischen Geschäftslebens in Köln. Die herzliche Führerin gewährte uns Einblicke in das alltägliche türkisch-deutsche Leben auf der Keupstraße, in der viele Juweliere, Import-Läden, türkische Restaurants und Bäckereien angesiedelt sind. Sie kannte und grüßte einige der Ladenbesitzer.

 

Nach der Führung begann das Stück. Zwei deutsche Schauspieler:innen und drei türkische Anwohner:innen versuchten im Dialog die Situation und die Empfindungen der Menschen nach dem Anschlag und während der Ermittlungen zu rekonstruieren. Das minimalistische Bühnenbild bestand aus lediglich  zwei großen, an zwei Seiten offenen Kästen, die sich verschieben ließen. Die Inszenierung, aufgeteilt in 18 Sequenzen, einige davon kurze Filme von der Keupstraße und Interviews mit Menschen, bestand v.a. aus Gesprächen zwischen den deutschen Schauspieler:innen und den türkischen Anwohner:innen. Manchmal war es schwierig, dem Handlungsstrang zu folgen.

Nach einer Einführung in den Alltag und die deutsch-türkischen Traditionen wird der durch die Bombe und die Art und Weise der Ermittlungen verursachte Bruch des Lebens geschildert. Die Anwohner der Keupstraße werden selbst verdächtigt. Trotz des Zurückweisens der Anschuldigungen beharren Polizei und Justiz auf ihre Schuld. Sie werden bedroht, anstatt gehört zu werden, ihre Menschenrechte werden missachtet. Jahre später gestehen die Mitglieder des sog. Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) die Tat. Die Menschen sind erleichtert, enttäuscht und  verärgert. Wie können an einer Ermittlung so viele Menschen beteiligt sein, ohne den Hinweisen auf rassistische Motive nachzugehen?

Obwohl die Inszenierung durch weniger Emotionalität geprägt war, als erwartet, so bringt sie doch die Aussage auf den Punkt, die die Gesellschaft als Anstoß braucht: Der Rassismus in der Gesellschaft wird angeprangert. Somit trägt die Inszenierung zur Bildung einer kulturellen Identität bei. Der existierende Rassismus und die Ausländerfeindlichkeit wird aktiv in das kulturelle Gedächtnis integriert und sichtbar gemacht. Dies ist von enormer Bedeutung, da vielen Menschen z.B. Alltagsrassismus kaum auffällt. Wichtig ist zudem, dass die Zuschauer:innen die Informationen des schrecklichen Ereignisses aus erster Hand, aus der Zeitzeugenperspektive, mitbekommen. So ist es möglich, die Zuschauer:innen zu informieren, zu bilden und zu intellektuellen Zeugen zu machen. Diese können die Geschichte und die daraus resultierende Kritik und Lehre ungefiltert an die nächste Generation und an die Gesellschaft weitergeben, vor allem, wenn es irgendwann keine Zeitzeugen mehr gibt.

„Die Lücke 2.0“ , die Lücke als Metapher für den Riss in der Gesellschaft, öffnet den Zuschauern die Augen und warnt davor, das Leben nur von einem Blickwinkel zu betrachten. Eine Frage bleibt jedoch offen: Wie können wir die Gesellschaft verändern?  

Marlene Burlon und Rosa Rudolph, Q1

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